– Caspar von Watzdorf –

von Hermann Etzrodt
aus einem Heimatkalender von 1939

Caspar von Watzdorf
Caspar von Watzdorf

Auf einem Fenster der Annenkirche in Eisleben zeigt eine Glasmalerei mit der Jahreszahl 1519 das Bildnis eines Ritters in dunkler Rüstung, daneben sein Wappen mit einem längsgeteilten Schild in den Farben schwarz-gold. Die einfache Form spricht für ein hohes Alter des Wappens. Man begegnet ihm in alten Mansfelder Urkunden so häufig, dass seine Träger in der Geschichte unserer Heimat eine bedeutende Rolle gespielt haben müssen. In der Tat war das Geschlecht von Watzdorf nicht nur an den Regierungs- geschäften des Mansfelder Grafenhauses maßgeblich beteiligt, sondern es hatte auch zu zahlreichen Dörfern unserer Heimat persönliche Beziehungen, z.B. zu Erdeborn, Schraplau, Stedten, Oberröblingen, Rothen-schirmbach, Siersleben, Braunschwende, insbesondere aber zu Eisleben. Und es ist gut, dass Eisleben mit dem Bildnis des Rates Caspar von Watzdorf in der Annenkirche das Denkmal eines Mannes bewahrt, der zu den bedeutendsten Söhnen der Grafschaft Mansfeld zählt.

Geboren wurde Caspar im Jahre 1482 als Sohn des gräflich Mansfeldischen Rates und Marschalls Rudolf von Watzdorf, wahrscheinlich zu Erdeborn auf dem Rittergut seines Vaters, der zwar mehr in Eisleben wohnte, aber seinen Haushalt doch in Erdeborn gehabt haben wird. Mit Rudolf hatte das Geschlecht, das zum ältesten Thüringer Adel gehörte, im Mansfeldischen Fuß gefasst. Vor ihm war freilich schon sein Bruder Conrad, einige Jahre älter als er, in Verbindung mit den Mansfelder Grafen getreten, indem er deren Rat wurde. Er saß „zum Lobestein“ in Thüringen, die gleichnamige Herrschaft war vermutlich damals bereits als Pfandbesitz oder Lehen an die Mansfelder gekommen. Die beiden Brüder waren die Söhne Caspar von Watzdorfs zu Altengesees, und Rudolf, der Jüngere, sollte offenbar die Laufbahn des Hofjunkers einschlagen. Er hatte eine sorgfältige wissenschaftliche Ausbildung erhalten, studierte in Leipzig und Straßburg und war ein gelehrter Kopf. Sein Weg schien ihm also vorgezeichnet, die Stammgüter Altengesees und Lothra übernahm der ältere Conrad.

Da bekam er von jenem im Jahre 1460 den Wink, dass er sich im Mansfeldischen ankaufen könne. Die Witwe des Grafen Volrad musste wegen irgendwelcher Schwierigkeiten, wie es heißt, wahrscheinlich aber weil es ihr anheim gefallen war, ein Rittergut in Erdeborn vergeben, und Rudolf fasste zu. Erdeborn ist lange Zeit das Rückrat der Watzdorfs im Mansfeldischen gewesen, zumal ihnen die Grafen immer mehr Lehnstücke verliehen, bis ihnen 1525 buchstäblich das ganze Dorf gehörte. Im Jahre 1483 waren noch zwei freie Sattelhöfe in Schraplau und Oberröblingen dazugekommen. Caspar erhielt im Jahre 1534 sämtliche Renten der Altstadt Eisleben als Ritterlehen verschrieben, die Söhne und Enkel erwarben dann ihre Güter in den obengenannten Dörfern. – Bei den Fähigkeiten Rudolf von Watzdorfs nimmt es nicht wunder, wenn er schon 1478 in der Eigenschaft eines Marschalls der Grafen als Mansfeldischer Rat eine Rolle zu spielen beginnt. Auf den sogenannten Tagen im Magdeburgischen und Sächsischen war er fast ständig beansprucht und verstand es, mit großem Geschick die hartnäckigen Händel seiner Standesgenossen untereinander oder mit den Städten beizulegen und Verträge zwischen Grafen und Fürsten zustandezubringen. Sehr bald wurde sein Name bekannt und geachtet.

So kam es, dass er und sein Bruder Conrad mit der Führung der Regierung eines reichsfreien Grafenhauses betraut wurden. Als 1484 die jungen Mansfelder Grafensöhne verwaisten, übertrug man den Watzdorfs die Vormundschaft. Als Verwalter der Grafschaft hat Rudolf die Geschicke unserer Heimat mit Umsicht und Tatkraft gelenkt, wie es niemand hätte besser machen können. In diese Zeit fallen nun die Jugendjahre seines Sohnes Caspar, der wahrscheinlich damals schon seine Freundschaft mit dem jüngsten, nur zwei Jahre älteren Grafen Albrecht begründete. Da Rudolf auch die Erziehung der Grafensöhne lenkte, wird er für die Schulausbildung seines Sohnes nicht noch einen besonderen Hauslehrer gewählt, sondern ihn mit den ihm im Alter am nächsten stehenden Grafen Gebhardt und Albrecht zusammen erzogen haben. Es steht fest, das Caspar später mit dem jungen Albrecht zu gleicher Zeit an verschiedenen Universitäten studierte. Der Graf weilte ganz und gar nicht zu seinem bloßen Vergnügen am Quell der Wissenschaften. In den wenigen Jahren, die ihm dazu frei blieben, hat er genug gelernt, um später seinen kühnen Plänen eine solide Grundlage geben zu können. Schon 1501 wurde er durch die große Erbteilung des Grafenhauses in die drei Linien regierender Landesherr.

Caspar von Watzdorf machte erst als Dreißigjähriger wieder in der Grafschaft von sich reden. Im Jahre 1501 war sein Vater gestorben, das enge Verhältnis zu den Grafen riß zunächst ab, wenn er auch als Nachfolger des Vaters in Erdeborn deren Lehnträger und Vasall blieb. Erst 1512 wurden die persönlichen Verbindungen neu geknüpft, Caspar wurde oberster Rat der Grafen; ein besonderes Vertrauensverhältnis verband ihn jedoch mit dem Jugendfreund, Graf Albrecht IV. Es war deshalb eine unausbleibliche Folge, dass er alsbald in die Spannungen zwischen den drei gräflichen Linien verwickelt wurde. Zunächst gelang es noch seinem Geschick, die Gegensätze zu überbrücken. Als 1517 Schloß Mansfeld, das gemeinsamer Besitz der drei Linien war, zur Festung ausgebaut werden sollte, wählte man ihn zum maßgebenden Baurat, „da er das studium mathematicum ex fundamento innehatte“. Er selbst hielt es für gut, auch Hans von Trotha, den Rat des Grafen Hoyer von der vorderortischen Linie, hinzuzuziehen. Gleichwohl entwickelte sich die Befestigung des Schlosses mit der Zeit zu einer Verschanzung der drei Linien gegeneinander, innerhalb der gleichen Festungsanlage. Diese Entwicklung wurde symbolisch. Mit dem Auftreten Luthers bahnte sich eine Entfremdung zwischen Graf Albrecht und den drei Brüdern der vorderortischen Linie an, die binnen kurzer Zeit zur offenen Feindschaft wurde. Es war klar, dass Caspar von Watzdorf, als dieser Tatbestand nun einmal gegeben war, nicht zwischen den Fronten stehen bleiben konnte, sondern seinem Jugendfreund zur Seite trat. Daß er damit einen schweren Weg einschlug, war ihm klar. Dafür ist er als Graf Albrechts getreuer Schildträger in unsere Heimatgeschichte eingegangen.

Albrecht IV. von Mansfeld war der bedeutendste Kopf, den das Grafenhaus hervorgebracht hat. Dazu war er ein ganzer Kerl, eine glänzende ritterliche Erscheinung, begabt mit schier unerschöpflichen geistigen und körperlichen Kräften, in seiner Jugend begeistert für alles Hohe und Edle, in späteren Jahren ein verbissener Kämpfer um die Unabhängigkeit seiner Grafschaft, um die Sache der Protestanten und um seine gewaltigen wirtschaftlichen Pläne. Als die Stürme der Reformation losbrachen, stand er im besten Mannesalter. Und ihm zur Seite stand ein Mann, der nicht nur dem Namen nach, sondern in seinem ganzen Wesen wahrhaft adlig war, Caspar von Watzdorf. An ihn hatte Luther mit seiner berühmten Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation“ … nicht umsonst appelliert. Und mit seiner unerschrockenen Einsatzbereitschaft, seiner außerordentlichen Klugheit, nicht zuletzt aber mit seinem starken Glauben hat er wie so viele unbekannte Männer seiner Zeit das unsichtbare, jedoch nicht wegzudenkende politische Rückgrat für Luthers großes Wagnis gestärkt.

An dem Verdacht des päpstlichen Nuntius Aleander, dass Graf Albrecht nach dem Reichstag zu Worms Luther versteckt hielt, war durchaus etwas Richtiges. Die Hintergründe sollen hier nicht ausgeführt werden, sie sind schwer zu übersehen; denn wer die Reichsacht sabotierte, war klug genug, sich nicht schwarz auf weiß zu verraten. Deshalb suchen wir vergeblich nach schriftlichen Unterlagen für das, was hinter den Kulissen vor sich ging. Ehe jedenfalls die Päpstlichen in Worms die Hand an Luther legen konnten, hätten sie die deutschen Ritter einzeln umbringen müssen, die unter Caspar von Watzdorfs Führung die nie bekannt gewordene, aber tatsächlich vorhanden gewesene Leibwache des kühnen Reformators bildeten. Luther selbst hätte sie wahrscheinlich abgelehnt, aber sie waren da, waren auf irgendeinen Befehl hin um ihn. Nicht Luther fühlte sich gefährdet, sondern die Männer des Papstes, die in ihren Berichten ein erhebliches Lamento über die dräuenden Gebärden der protestantischen Ritter anstimmten. „Der unverschämte Papist“ Cochläus hätte das um ein Haar am eigenen Leibe erfahren. Als er Luther in seinem Quartier aufsuchte, um mit ihm zu disputieren, wenn er vorher sein freies Geleit aufgebe, war zufällig Caspar von Watzdorfs jüngster Bruder Volrad Zeuge dieser freundlichen Zumutung. Nur das Einspringen anderer Mansfeldischer Ritter bewahrte Cochläus davor, dass ihm der junge Watzdorf für die Frechheit „einen empfindlichen Dank auf den Kopf“ gab.

Caspar selbst stand bei Luther wegen seiner wertvollen Dienste für die große Sache „in besonders vertraulicher Hochachtung“. Viel genannt wurde sein Name 1524, als er gegen die Äbtissin des Klosters Helfta, Catharina von Watzdorf, Stellung nahm, also gegen seine eigene Verwandte. Sie war eine scharfe Gegnerin der Reformation und hatte eine Nonne namens Florentina von Oberweimar wegen ihrer Hinneigung zu Luthers Lehre mit den schwersten Strafen belegt. Die Nonne schrieb heimlich an Caspar von Watzdorf „als einen berühmten Liebhaber der evangelischen Wahrheit“ und bat ihn um Hilfe. Caspar befasste den Reformator selber mit der Angelegenheit und verhalf auf dessen Rat der Nonne zur Freiheit. Luther nahm den Fall zum Anlaß, gegen die Einrichtung der Klöster als solche in aller Öffentlichkeit Stellung zu nehmen, in dem er an die Grafen von Mansfeld ein Sendschreiben über „die zweite Jesabel“, nämlich die Äbtissin von Helfta, richtete, dem ein persönlicher Bericht der Florentina von Oberweimar angehängt war. Da die vorderortischen Grafen streng katholisch blieben und sich jeder Reform widersetzten, kam es zu einer sehr gespannten Lage, die durch die allgemeine Unruhe im Lande noch verschärft wurde. Als Graf Albrecht mit Caspar von Watzdorf und einer Handvoll Ritter im nächsten Jahre bei dem Einfall aufständischer Bauern in Osterhausen hart zufasste, waren sie Herren der Lage. Um die Aufhebung der Klöster im Mansfeldischen brauchten sie sich mit den katholischen Grafen nicht mehr zu streiten; die Bevölkerung hatte reinen Tisch gemacht.

Die beiden nächsten Jahrzehnte standen für Graf Albrecht im Zeichen des Kampfes um seine Unabhängigkeit gegenüber Sachsen und der ständig wachsenden Bedrohung der evangelischen Stände durch die katholische Front unter Führung des Kaisers. Da war ihm ein treuer Freund wie Caspar von Watzdorf, der das geistige Format hatte, ihn zu verstehen, besonders wertvoll. Auch das Volk wusste, was es an dem Getreuen seines Landesherrn hatte. Lange übers Grab hinaus hat es ihm ein dankbares Andenken bewahrt. Man pflegte im Mansfeldischen zu sagen, dass „da die vier Caspar regierten, es noch wohl im Lande zugegangen“, und meinte Caspar von Watzdorf, den Kanzler Caspar Müller, den Superintendenten Caspar Güttel und den Rentmeister Caspar Schmidt. Wie eindrucksvoll die ritterliche Erscheinung des Mannes im Leben gewesen ist, sagt uns besser als alle Worte sein Bildnis.

Über dem Ende Caspar von Watzdorfs liegt allem Anschein nach eine große Tragik. Die Vorgänge haben sich bis jetzt noch nicht klären lassen und sollen deshalb hier nicht behandelt werden. Zwei seiner Söhne nämlich stehen 1547 in der Schlacht bei Drakenburg auf der Seite des Herzogs Erich von Braunschweig, und das hieße gegen die Tradition ihres Vaters und Großvaters. Die drei anderen Söhne blieben freilich im Mansfeldischen, Christoph saß zu Braunschwende, Caspar zu Erdeborn, David zu Stedten.

Nach oben scrollen