Sagenhaftes


Auch Sagen gibt es, nur nicht sehr viele. Hab ich eine vergessen?

– Die versunkene Glocke von Erdeborn –

aus: „Die Sagen der Grafschaft Mansfeld“ von Dr. Hermann Größler

Es war am Freitag vor Pfingsten; nach langen Regengüssen ging die Sonne zum ersten Male wieder an einem heitern Himmel auf. Die ganze Gemeinde von Erdeborn versammelte sich vor der Kirche, denn es sollte die neue Glocke aufgehängt werden, damit unter ihrem Klange das Pfingstfest würdigen Einzug halte. Schon stundenlang warteten die Bauern auf den Wagen, welcher die Glocke herbeischaffen sollte und längst unterwegs sein musste. Allerdings war er auf dem Wege, schon seit dem vorigen Tage, aber die Straße war so aufgeweicht, dass er nur langsam vorwärts kommen konnte, und augenblicklich saß er ganz fest in Kot und Schlamm. Vergebens schlugen die Fuhrleute auf die vier kräftigen Pferde ein; der Wagen regte sich nicht. Flüche und Peitschenhiebe fielen eben wieder hageldicht.
Da stand plötzlich, wie aus dem Boden emporgewachsen, ein altes Mütterchen unter den Fuhrleuten und redete sie mit zahnlosem Munde also an: „Pfui, schämt euch doch, so zu wettern! Sollen denn gleich beim ersten Läuten eure Flüche aus den Glockentönen wiederklingen? Und meint ihr die Peitsche feuert die Pferde an? Laßt die Tiere ein wenig ausruhen und versucht es dann ohne Schläge! Ihr werdet sehen, es geht besser.“ Tollere Flüche, ärgere Schläge waren die Antwort. „Wenn ihr mir nicht folgt, bringt ihr die Glocke nie und nimmer in das Dorf !“ rief jetzt die Alte zornig. Da wandte sich der eine der Knechte um und holte mit der Peitsche nach ihr aus. Er schlug ins Leere; die Frau war plötzlich verschwunden. Der Wagen aber sank tiefer und tiefer; bald waren die Räder nicht mehr zu sehen, und kaum hatte man den Pferden die Stränge durchschneiden können, so schlug der Schlamm über dem Gefährt zusammen. Bestürzt standen die Fuhrleute da; verblüfft hörten die Bauern den Bericht von dem Vorfalle an. Nachgrabungen ergaben nichts; Glocke und Wagen waren und blieben verschwunden.


– Der Steinberg am salzigen See –

aus: „Die Sagen der Grafschaft Mansfeld“ von Dr. Hermann Größler

Zwischen dem Dorfe Aseleben und dem salzigen See liegt ein Berg, der früher mit einigen hundert größeren und kleineren Steinblöcken bedeckt war, in die sich häufig uralte eiserne Nägel eingeschlagen fanden. Von diesen Steinen ging im Volke die Sage, sie würden weich, wenn ein Gewitter über ihnen stünde. Auf diesem Berge hütete einst ein Schäfer, und als er frühstücken wollte, kam Frau Wolle (Holle) den Berg herauf, um auf der anderen Seite zum See hinab zu gehen und sich darin zu baden. Wie sie den Schäfer sah, bat sie ihn um ein Stückchen von seinem Brote; doch er lachte und sprach, wenn sie essen wolle, solle sie arbeiten; sein Brot habe er ehrlich verdient und brauche es allein. Da berührte ihn Frau Wolle mit einer Rute, die sie in der Hand trug, und alsbald war er in Stein verwandelt; darauf berührte sie seine beiden Hunde, die rechts und links neben ihm lagen, und dann die ganze Herde, und auch die Hunde und alle Schafe wurden zu Stein. Dies sind die Steine, die auf dem Berge liegen, und noch heut sieht man an dem, in welchen der Schäfer verwandelt ist, den Stab aufragen, den der Schäfer beim Sitzen gerade über seine Schulter gelehnt hatte. Der Berg wird seitdem der Steinberg, bisweilen auch der Schafberg genannt.


– Die wandelnde Laterne –

aus: „Die Sagen der Grafschaft Mansfeld“ von Dr. Hermann Größler

Auf der Pfingstwiese zwischen Oberröblingen und Erdeborn hat man früher bei Nacht häufig eine brennende Laterne wandeln sehen, die von einer Hand gehalten wurde. Wem die Hand gehört hat, das weiß man nicht. Seit aber die Eisenbahn nicht weit davon vorüber führt und die Laternen der Bahnzüge die Nacht erhellen, ist die gespenstische Laterne verschwunden.


– Die versunkene Stadt –

aus: „Die Sagen der Grafschaft Mansfeld“ von Dr. Hermann Größler

Da, wo jetzt sich der salzige See befindet [jetzt befindet er sich gerade wieder nicht da], hat in alten Zeiten eine Stadt gestanden, welche aber schon lange versunken ist. Fischer, welche dort fischten, haben noch die Kirchturmspitzen im Wasser gesehen und an denselben oftmals ihre Netze zerrissen; auch hat man beim Fahren über den See Glocken aus der Tiefe heraufklingen hören.

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